dpa-AFX: Kernkraftgegner warnen vor Gefahren in Atom-Zwischenlagern
HANNOVER (dpa-AFX) - Angesichts der in Deutschland ungelösten Frage der
Atomendlagerung haben Anti-Atom-Organisationen vor massiven Sicherheitsmängeln
in den bestehenden Zwischenlagern gewarnt. "Wir haben kein einziges
Zwischenlager, was ausreichend sicher ist. Das ist jetzt schon Stand der Dinge",
sagte Helge Bauer von der Organisation "ausgestrahlt" in Hannover.
Die Bundesregierung habe bisher kein sinnvolles Konzept vorgelegt, wie sie
damit umgehen wolle, dass der Atommüll deutlich länger in den Zwischenlagern
verbleiben müsse als einst gehofft. Auch fehlten noch immer geeignete
Schutzkonzepte vor Terroranschlägen oder Sabotage.
Forderung: Regierung muss neues Konzept für Zwischenlager vorlegen
Die Regierung müsse daher dringend ein Konzept zur Atommüll-Zwischenlagerung
vorlegen, bei dem die Minimierung von Gefahren für die Bevölkerung die oberste
Priorität habe, forderte Bauer. Innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte würden
viele Zwischenlager ihre Genehmigungen verlieren. "Auch die Castoren sind nur
für 40 Jahre genehmigt worden", führte Bauer aus. So würden die ersten 2032 in
Gorleben sozusagen ihren TÜV-Stempel verlieren.
In Deutschland läuft derzeit die Suche nach einem geeigneten Standort für
ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle. Das Bundesumweltministerium geht
davon aus, dass bis 2050 ein entsprechendes Endlager gefunden sein wird und
damit etwa 20 Jahre später als ursprünglich geplant. Wann dann wirklich Atommüll
eingelagert werden kann, ist noch völlig offen. Auch die Endlagerung von
schwach- und mittelradioaktiven Abfällen ist ein Dauerstreitthema. Der hierfür
vorgesehene Schacht Konrad bei Salzgitter, ein ehemaliges Eisenerzbergwerk, wird
derzeit vorbereitet, und soll frühestens 2027 in Betrieb gehen. Kritiker
bemängeln eine fehlende Sicherheit.
Bei der Endlagersuche geht es um einen Ort in der Tiefe zur dauerhaften
Lagerung von 27.000 Kubikmetern hochradioaktiven Müll aus mehr als 60 Jahren
Atomkraft in Deutschland. Es soll ein Ort gefunden werden, der für eine Million
Jahre sicher ist, da der Müll hunderttausende Jahre strahlt. Aufbewahrt wird er
aktuell in 16 oberirdischen Zwischenlagern in verschiedenen Bundesländern.
Droht Akzeptanz des Endlagersuchverfahrens wieder zu scheitern?
Bauer warnte davor, dass das aktuelle Endlagersuchverfahren wie einst am
Standort Gorleben zu scheitern drohe - wegen mangelnder Akzeptanz, fehlender
Transparenz und verkürzter Bürgerbeteiligung: "Wir kommen dann wieder ganz
schnell an so einen Punkt, dass sowieso das Vertrauen über die Jahre, wo diese
Standortsuche jetzt läuft, in der Bevölkerung immer kleiner geworden ist in
dieses Verfahren." Viele, die sich am Anfang da stark engagiert hätten, hätten
sich bereits wieder aus dem Verfahren zurückgezogen, weil sie sich gegen die
staatlichen Behörden nicht durchsetzen könnten oder auch keinen Platz für eine
echte Beteiligung fänden.
Um auf die Probleme mit dem deutschen Atommüll aufmerksam zu machen,
veröffentlichten mehrere Anti-Atom-Organisationen auf 468 Seiten einen Überblick
über die Atommülllagerung in Deutschland vor. Darin sind über 216 Atomanlagen an
71 Standorten aufgeführt. Demnach sind 84 aktuell in Betrieb, 56 Anlagen sind
stillgelegt oder im Rückbau./agy/DP/mis