dpa-AFX: Krisentest der Aufseher: Milliardenrisiko Klimawandel
FRANKFURT/PARIS (dpa-AFX) - Die Milliardenherausforderung des grünen Umbaus
der Wirtschaft gepaart mit konjunkturellen Schocks könnte für Europas Banken und
Versicherer zu erheblichen Verlusten führen. Zu diesem Fazit kommen die
Bankenaufsicht EBA, die Versicherungsaufsicht EIOPA, die Wertpapieraufsicht ESMA
und die Europäische Zentralbank (EZB) in einem ersten sektorübergreifenden
Klimastresstest: "In den untersuchten Szenarien ist es unwahrscheinlich, dass
Übergangsrisiken allein die Finanzstabilität gefährden. Wenn jedoch
Übergangsrisiken mit makroökonomischen Schocks kombiniert werden, können sie die
Verluste für Finanzinstitute erhöhen und zu Störungen führen."
EU-Klimaziele als Ausgangspunkt
Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Ausstoß des
Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zum Jahr
1990 zu senken. Bis 2050 will die EU klimaneutral sein - das heißt:
Klimaschädliche Gase wie CO2 sollen von da an vermieden oder gespeichert werden.
Dafür soll vor allem das Gesetzespaket "Fit for 55" unter dem Dach des
sogenannten Green Deal sorgen. Die Strategie umfasst Maßnahmen in verschiedenen
Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft.
Für den Umbau der Wirtschaft von "braun" zu "grün" sind Milliardensummen
nötig. Das eröffnet Investitionschancen. Zugleich jedoch nehmen Kreditrisiken
infolge des Klimawandels zu. Die Aufseher sollten ergründen, wie
widerstandsfähig das Finanzsystem im Einklang mit dem "Fit-for-55"-Paket ist und
inwiefern die Finanzinstitute auch unter Stressbedingungen in der Lage wären,
den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft zu unterstützen.
Mehrere Szenarien durchgespielt
Betrachtet wurde in dem Stresstest ein Zeitraum von acht Jahren (2022 bis
2030). Bewertet wurden die Folgen der folgenden drei Szenarien für 110 Banken,
2.331 Versicherer, 629 Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung - das
sind etwa Pensionskassen - und etwa 22.000 in der EU ansässige Fonds:
- Das Basisszenario simuliert einen reibungslosen und rechtzeitigen Übergang
zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft, bei dem die Regierungen die politischen
Maßnahmen des "Fit-for-55-Pakets" umsetzen. Die Wirtschaft wächst, die
Energiepreise sind relativ stabil.
- Das erste Negativszenario geht davon aus, dass sich Investoren im Zuge der
Neubewertung von Klimarisiken von Vermögenswerten kohlenstoffintensiver
Unternehmen trennen.
- Im zweiten Negativszenario kommen zum Preisverfall bei bestimmten
Vermögenswerten noch makroökonomische Stressfaktoren hinzu. So wird
beispielsweise ein erheblicher Anstieg der Gas- und Kohlenstoffpreise
unterstellt.
Drohende Milliardeneinbußen
Im schlimmsten Fall könnten sich die Kredit- und Marktverluste von Banken
den Berechnungen der Aufseher zufolge auf 638 Milliarden Euro summieren - das
wären 10,9 Prozent der betrachteten Engagements. Bei Versicherern würde der Wert
ihrer Kapitalanlagen im zweiten Negativszenario um 18,8 Prozent beziehungsweise
1.285 Milliarden Euro sinken, bei Pensionskassen wären es sogar 21,5 Prozent
(379 Mrd Euro).
Aus Deutschland mussten sich unter anderem Deutsche Bank und
Commerzbank , die Landesbanken BayernLB, Helaba, LBBW und NordLB,
DZ Bank und Dekabank sowie Deutschlands größte deutsche Sparkasse, die Hamburger
Haspa, dem Test stellen. Auswirkungen auf die Kapitalanforderungen für
Finanzinstitute sollen die Ergebnisse nicht haben./ben/DP/jsl