dpa-AFX: WDH/ROUNDUP 2: Letzte Hürde für Krankenhausreform im Bundesrat
(Im letzten Absatz wurde das Amt von Anke Rehlinger korrigiert. Sie ist
Präsidentin des Bundesrats und nicht Vorsitzende des Bundesrats.)
BERLIN (dpa-AFX) - Die umstrittene Krankenhausreform von
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht vor der letzten Hürde im
Bundesrat. Die Länderkammer entscheidet heute in Berlin, ob sie das noch von der
Ampel-Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz passieren lässt - oder ob sie
es in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schickt und die
Umsetzung vorerst stoppt. Eine mögliche Verständigung dort wäre angesichts
unklarer Mehrheiten im Bundestag und der vorgezogenen Neuwahl ungewiss.
Im Kern soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle
geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung allein schon
für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll Anreize zu immer mehr
Fällen und medizinisch teils nicht optimalen Eingriffen beseitigen. Grundlage
der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen daher auch neue
"Leistungsgruppen" sein. Sie sollen die jeweiligen Klinik-Behandlungen genauer
beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben dafür absichern
- etwa beim Fachpersonal oder der Behandlungserfahrung. Kommen soll
zudem ein milliardenschwerer "Transformationsfonds", um die aufwendige
Neuorganisation finanziell zu unterstützen.
Krankenkassen für grünes Licht
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Deutschen
Presse-Agentur: "Jetzt Verantwortung zu übernehmen, bedeutet, dieses Gesetz im
Bundesrat nicht aufzuhalten." Es möge manchem nicht als perfekt erscheinen.
"Aber es schafft zweifelsohne die lebensnotwendigen Voraussetzungen, damit viele
Krankenhäuser überhaupt weiter existieren können - und damit die Garantie für
Patientinnen und Patienten, zukünftig die richtige Versorgung zur richtigen Zeit
am richtigen Ort zu finden."
Auch die gesetzlichen Krankenkassen appellierten, die Reform passieren zu
lassen. "Wir können es uns nicht erlauben, auf die "perfekte Reform" zu warten",
sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes, Stefanie
Stoff-Ahnis. Ein "Weiter-so" ohne eine Perspektive für eine bessere Versorgung
der Patientinnen und Patienten wäre ein fatales Signal. In der nächsten
Wahlperiode müsse es dann aber darum gehen, die Reform besser zu machen. So
müsse aus Patientensicht künftig ausgeschlossen werden, dass für den ländlichen
Raum geringere Qualitätsmaßstäbe angelegt werden dürfen.
Landkreise fordern Soforthilfen für Kliniken
Der Deutsche Landkreistag forderte die Länder zum Anrufen des
Vermittlungsausschusses auf. "Anders kann es nicht gelingen, unsere
Krankenhäuser zu stabilisieren", sagte Präsident Achim Brötel der dpa. In den
vergangenen zwei Jahren hätten bereits 48 Kliniken Insolvenz anmelden müssen.
"So wird es auch weitergehen, wenn der Bund jetzt nicht handelt." Dringend nötig
sei ein rückwirkender Inflationsausgleich seit 2022. "Die Länder müssen über den
Bundesrat erreichen, dass diese wichtige Sofortmaßnahme auf den Weg gebracht
wird", sagte Brötel. "Der Bruch der Ampel darf jedenfalls nicht dazu führen,
dass jetzt auch das gesamte System der Krankenhausversorgung auseinanderbricht."
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) plädiert dafür, die Reform
in den Vermittlungsausschuss zu schicken. "Wenn sowohl Bund als auch Länder
guten Willens sind, kann diese Reform gerettet und zu einem besseren Gesetz
gemacht werden", sagte DKG-Chef Gerald Gaß der "Rheinischen Post".
Reform soll stufenweise greifen
Über die Ausgestaltung der Reformpläne war seit fast zwei Jahren heftig
diskutiert worden. Lauterbach tauschte sich dazu auch mehrfach mit den
Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsministern der Länder aus, die aber bis
zuletzt Kritikpunkte geltend machten. Der Minister warb kurz vor der Abstimmung
für eine Umsetzung der Reform, die unbedingt notwendig sei. In Kraft treten soll
das Gesetz zum 1. Januar 2025. Kommen soll die neue Struktur dann aber über
mehrere Jahre bis 2029. Für die Patientinnen und Patienten wird sie also nicht
sofort spürbar. Das Netz der 1.700 Krankenhäuser dürfte damit kleiner werden.
Kritik vom NRW-Gesundheitsminister
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kritisierte Lauterbachs
Pläne. Das Problem sei, dass der Bundesgesundheitsminister mit dem Gesetz
Standards setze, "die wir einfach in der ländlichen Fläche nicht hinkriegen,
weil wir die Leute nicht haben", sagte er im "Morgenmagazin" der ARD. Genug
Zeit, um das Gesetz zu ändern, gibt es laut Laumann aber: "Wenn sich da
vernünftige Leute zusammensetzen, ist das nach meiner Meinung in einem halben
Tag besprochen."
Die Präsidentin des Bundesrats, Anke Rehlinger (SPD), hofft, dass die
Krankenhausreform durch den Bundesrat kommt. "Besser dieses Gesetz als keins",
sagte Rehlinger im RBB Inforadio. "Ohne das Gesetz werden wir eine relativ
unkontrollierte Bereinigung der Krankenhauslandschaft haben." Die
Krankenhausreform jetzt in den Vermittlungsausschuss zu schicken, sei der Beginn
einer Hängepartie./sam/DP/stk