dpa-AFX: ROUNDUP: Bundesrat macht Weg für Krankenhausreform frei
BERLIN (dpa-AFX) - Der Bundesrat macht den Weg für die umstrittene
Krankenhausreform frei. Die Länderkammer ließ das noch von der Ampel-Koalition
im Bundestag beschlossene Gesetz für eine grundlegende Neuordnung der Kliniken
in Deutschland passieren. Eine Anrufung des gemeinsamen Vermittlungsausschusses
mit dem Bundestag fand nicht die erforderliche Mehrheit. Die Reform von
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kann damit umgesetzt werden. Sie soll
finanziellen Druck auf die Kliniken mindern und mehr Spezialisierung
durchsetzen.
Neues Vergütungssystem geplant
Im Kern soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle
geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung allein schon
für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll Anreize zu immer mehr
Fällen und medizinisch teils nicht optimalen Eingriffen beseitigen.
Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen daher auch neue
"Leistungsgruppen" sein. Sie sollen Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und
bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben dafür absichern
- etwa beim Fachpersonal oder der Behandlungserfahrung. Kommen soll
zudem ein milliardenschwerer "Transformationsfonds", um die Neuorganisation
finanziell zu unterstützen.
Lauterbach appellierte an die Länder
In der Sitzung der Länderkammer hatte es eine kontroverse Debatte gegeben.
Lauterbach appellierte kurz vor der Abstimmung an die Länder, das Gesetz
passieren zu lassen. Es gehe um "die einmalige Chance, Zehntausenden Menschen
pro Jahr eine bessere Versorgung zukommen zu lassen". Bei möglichen Änderungen
müsse man sich ehrlich machen: Dabei gehe es um den Kern der Reform. Wenn diese
Änderungen vorgenommen würden, brauche man die Reform nicht mehr.
Bei der Abstimmung wurde das Votum Thüringens nicht mitgezählt, da das Land
nicht einheitlich abstimmte, wie Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger
feststellte.
Mehrere Länder meldeten Kritikpunkte an
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte:
"Wir brauchen diese Reform, aber es gibt nach wie vor wenige Punkte, die
unbedingt nachgebessert werden müssen." Sonst würde das Gesetz zu Verwerfungen
in der Krankenhauslandschaft führen. Konkret gehe es um Änderungen bei Vorgaben
zu Fachärzten, die in ländlichen Regionen derzeit einfach nicht erreichbar
seien. Nötig sei "mehr Beinfreiheit" für die Länder bei der Umsetzung.
Bayern hatte den Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt.
Ressortchefin Judith Gerlach (CSU) sagte: "Unser Ziel ist es, zu dringend
notwendigen Nachbesserungen zumindest in zentralen Punkten des Gesetzes zu
kommen." Sie wies auch auf akute Finanznot bei vielen Kliniken hin. "Der Bund
hätte längst ein Soforthilfeprogramm vorlegen müssen."
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte, es dürfe
nicht passieren, dass bestehende Versorgungsungleichheiten zwischen Ost und West
verschärft werden. Für Baden-Württemberg monierte der Bevollmächtigte beim Bund,
Rudi Hoogvliet (Grüne), man könne die Folgen der Reform weiterhin nicht seriös
abschätzen. Mit einem Vermittlungsausschuss solle das Vorhaben weder verzögert
noch verhindert werden. Die Vorsitzende der Länder-Gesundheitsminister, Kerstin
von der Decken (CDU) aus Schleswig-Holstein, sagte, dies biete wahrscheinlich
die letzte Chance, grobe Fehler zu korrigieren.
Andere Länder warben für Zustimmung
Der rheinland-pfälzische Minister Clemens Hoch (SPD) warb dagegen um
Unterstützung für die Reform und mahnte, das Ergebnis eines zweijährigen
Arbeitsprozesses nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Benötigt würden auch
kurzfristige finanzielle Effekte des Gesetzes. Der niedersächsische Minister
Andreas Philippi (SPD) warnte, wenn die Reform in den Vermittlungsausschuss
geschoben werde, dann sei sie "politisch tot".
Gesetz soll in mehreren Jahren greifen
In Kraft treten soll das Gesetz zum 1. Januar 2025. Umgesetzt werden soll
die neue Struktur aber erst über mehrere Jahre bis 2029. Für die Patientinnen
und Patienten wird sie also nicht sofort spürbar. Das Netz der 1.700
Krankenhäuser dürfte damit auch kleiner werden. Vielen Krankenhäusern machen
seit längerem Finanznöte, nicht belegte Betten und Personalmangel zu schaffen.
Die Länder und die Klinkbranche hatten auch eine Überbrückungsfinanzierung für
die Krankenhäuser bis zum Greifen der Reform gefordert./sam/cab/hoe/DP/nas