Nachrichten

dpa-AFX: ROUNDUP 2: Bundesrat macht Weg für Krankenhausreform frei

(mehr Details) BERLIN (dpa-AFX) - Der Weg für eine grundlegende Neuordnung der Kliniken in Deutschland in den kommenden Jahren ist frei. Der Bundesrat ließ die umstrittene Krankenhausreform passieren, die noch die Ampel-Koalition im Bundestag beschlossen hatte. Trotz Kritik mehrerer Länder fand eine Anrufung des gemeinsamen... (mehr Details)

BERLIN (dpa-AFX) - Der Weg für eine grundlegende Neuordnung der Kliniken in
Deutschland in den kommenden Jahren ist frei. Der Bundesrat ließ die umstrittene
Krankenhausreform passieren, die noch die Ampel-Koalition im Bundestag
beschlossen hatte. Trotz Kritik mehrerer Länder fand eine Anrufung des
gemeinsamen Vermittlungsausschusses mit dem Bundestag nicht die erforderliche
Mehrheit. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem "guten Tag
für Patientinnen und Patienten", deren Versorgung sich beispielsweise bei
Krebserkrankungen verbessern werde. In den Regierungen Thüringens und
Brandenburgs traten im Ringen um das Abstimmungsverhalten im Bundesrat offene
Konflikte zutage.

Die seit fast zwei Jahren vorbereitete Reform kann jetzt schrittweise
umgesetzt werden. Lauterbach sagte, damit werde sich die Krankenhauslandschaft
in den nächsten 20 Jahren grundsätzlich verändern: "Und zwar zum Guten." Großes
Ziel ist, den finanziellen Druck auf die derzeit bundesweit 1.700 Kliniken zu
vermindern. "Wir werden mehr Spezialisierung bekommen", sagte der Minister. "Wir
werden gleichzeitig sehen, dass die kleinen Krankenhäuser auf dem Land von dem
leben können, was sie besonders gut können."

Neues Vergütungssystem geplant

Im Kern soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle
geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung allein schon
für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll Anreize zu immer mehr
Fällen und medizinisch teils nicht optimalen Eingriffen beseitigen. Grundlage
der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen neue "Leistungsgruppen" sein.
Sie sollen Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche
Qualitätsvorgaben dafür absichern - etwa beim Fachpersonal oder der
Behandlungserfahrung. Kommen soll zudem ein milliardenschwerer
"Transformationsfonds".

Lauterbach warnte vor Verwässerung der Reform

Im Bundesrat hatte es vor der Abstimmung eine kontroverse Debatte gegeben.
Lauterbach appellierte an die Länder, das Gesetz passieren zu lassen. Bei
möglichen Änderungen im Vermittlungsausschuss müsse man sich ehrlich machen:
Dabei wäre es um den Kern der Reform gegangen. Wenn solche Verwässerungen
vorgenommen würden, brauche man die Reform nicht mehr. Konkret verteidigte
Lauterbach die Vorgabe, dass jede Leistungsgruppe mindestens drei Fachärzte
haben muss. Das sei für ihn "nicht verhandelbar" gewesen.

Kritik und Unterstützung von mehreren Ländern

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) warnte
dagegen, dass die Vorgaben zu Fachärzten in ländlichen Regionen derzeit einfach
nicht erreichbar seien. Nötig sei "mehr Beinfreiheit" für die Länder bei der
Umsetzung. Baden-Württembergs Bevollmächtigter beim Bund, Rudi Hoogvliet
(Grüne), kritisierte, man könne die Folgen der Reform nicht seriös abschätzen.
Mit einem Vermittlungsverfahren solle das Vorhaben weder verzögert noch
verhindert werden. Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch
(SPD) warb für die Reform. Benötigt würden auch ihre kurzfristigen finanziellen
Effekte.

Eklats bei zwei Ländern

Direkt zur Sitzung eskalierte in zwei Landesregierungen interner Streit. In
der Abstimmung, bei der die Länder einzeln aufgerufen wurden, wurde das Votum
Thüringens nicht mitgezählt, da es uneinheitlich war, wie Bundesratspräsidentin
Anke Rehlinger (SPD) feststellte. Zuerst stimmte Staatskanzleichef
Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) für den Vermittlungsausschuss, direkt danach
widersprach Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Brandenburgs
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher wurde kurzfristig von Ministerpräsident
Dietmar Woidke (SPD) entlassen - die schriftliche Entlassung erhielt sie im Flur
des Bundesrats, wie die Grünen-Politikerin später mitteilte. Sie wollte sich
nach eigenen Angaben in der Abstimmung enthalten. Das Land votierte dann aber
für den Vermittlungsausschuss.

Gesetz soll in mehreren Jahren greifen

In Kraft treten soll das Gesetz nun zum 1. Januar 2025. Umgesetzt werden
soll die neue Struktur aber erst über mehrere Jahre bis 2029. Das Netz der 1.700
Krankenhäuser dürfte damit auch kleiner werden. Vielen Krankenhäusern machen
seit längerem Finanznöte, nicht belegte Betten und Personalmangel zu schaffen.
Die Länder und die Klinkbranche hatten daher auch eine Überbrückungsfinanzierung
bis zum Greifen der Reform gefordert.

Geteiltes Echo bei Kliniken, Kassen und Patientenvertretern

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft forderte mit Blick auf die
Bundestagswahl am 23. Februar, eine neue Regierung müsse die Krankenhausreform
umgehend korrigieren. Die Versorgung werde sich mit dem Gesetz nicht verbessern,
sondern vielfach verschlechtern und in einigen Regionen ganz wegbrechen. Der
Verband der Universitätsklinika begrüßte dagegen, dass nun bessere Qualität und
mehr Effizienz auf den Weg kämen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bedauerte eine vertane Chance, einen
guten Kompromiss zu erreichen. "Jetzt steht die medizinische Versorgung in den
strukturarmen Regionen auf dem Spiel", sagte Vorstand Eugen Brysch.

Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, begrüßte, dass die Länder
den Weg für mehr Qualität und Spezialisierung frei gemacht haben. Es komme nun
noch auf weitere Verordnungen auf Bundesebene und eine kluge Krankenhausplanung
in den Ländern an. Für die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) sagte
Verbandschefin Carola Reimann, trotz aller Mängel sei das Gesetz eine solide
Basis für eine Verbesserung der Behandlungsqualität und zur finanziellen
Absicherung von Kliniken, die für den Bedarf notwendig sind./sam/cab/hoe/DP/mis

Daten bereitgestellt von .