dpa-AFX: ROUNDUP: MTU schafft Rekordjahr trotz Triebwerksrückruf - Aktie sackt ab
MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Münchner Triebwerksbauer MTU hat nach
dem ersten Jahresverlust seiner Geschichte wieder ein Rekordjahr hingelegt. Der
Rückruf tausender Antriebe von Airbus-Jets lastete zwar weiter
auf dem Betrieb. Doch unter dem Strich kehrte der Dax-Konzern 2024 klar in die schwarzen Zahlen zurück. Und im Tagesgeschäft verdiente er vor
Zinsen, Steuern und Sondereffekten (bereinigtes Ebit) erstmals mehr als eine
Milliarde Euro. Für 2025 setzte der scheidende Vorstandschef Lars Wagner dem
Unternehmen am Mittwoch nun noch höhere Ziele als zuletzt.
An der Börse wurden die Neuigkeiten jedoch zunächst mit Kursverlusten von
mehr als sechs Prozent quittiert, nachdem Analysten den Mittelabfluss im vierten
Quartal bemängelt hatten. Finanzvorstand Peter Kameritsch erklärte dies mit den
Aufwendungen für den Triebwerksrückruf. Zuletzt lag die MTU-Aktie noch mit gut
fünf Prozent im Minus bei 327,20 Euro und war größter Verlierer im Dax. Damit
wurde das Papier nur noch knapp zwei Prozent teurer gehandelt als zum
Jahreswechsel. Im Januar war der Kurs noch auf einen Rekordwert von 350,20 Euro
gestiegen.
Im abgelaufenen Jahr steigerte MTU den Umsatz um 18 Prozent auf knapp 7,5
Milliarden Euro, wenn man die Auswirkungen des Triebwerksrückrufs in beiden
Jahren herausrechnet. Der um solche und andere Sonderposten bereinigte operative
Gewinn (bereinigtes Ebit) stieg um 28 Prozent auf 1,05 Milliarden Euro.
Unter dem Strich stand ein Gewinn von 642 Millionen Euro nach fast 100
Millionen Verlust im Vorjahr. Damals hatte MTU fast eine Milliarde Euro für den
Triebwerksrückruf zurückgestellt und war deshalb in die roten Zahlen gerutscht.
Für 2024 sollen die Aktionäre wie bereits angekündigt eine Dividende von 2,20
Euro je Aktie erhalten, 20 Cent mehr als im Vorjahr.
Der MTU-Konzern und sein größerer US-Partner Pratt & Whitney müssen seit
Mitte 2023 rund 3000 Antriebe vom Typ Getriebefan reparieren, die vor allem bei
den Airbus-Jets aus der Modellfamilie A320neo zum Einsatz kommen. Diese
Airbus-Maschinen sind der meistgefragte Flugzeugtyp der Welt. Die Arbeiten an
den Triebwerken dauern mehrere Monate - weil Ersatzteile und
Werkstattkapazitäten knapp sind. Laut dem zum RTX-Konzern gehörenden Hersteller Pratt & Whitney stehen deshalb weltweit rund 450
Airbus-Jets am Boden. Denn auch Ersatztriebwerke sind kaum zu bekommen.
MTU-Chef Wagner sieht sein Unternehmen indes auf weiterem Wachstumskurs,
auch weil die Nachfrage nach neuen Flugzeugen und Antrieben weltweit boomt. "Wir
verzeichnen robustes Ergebniswachstum über alle Bereiche hinweg."
Für 2025 erwartet der Manager nun einen Umsatz von 8,7 bis 8,9 Milliarden
Euro - und damit am oberen und unteren Ende jeweils 400 Millionen mehr als im
November angekündigt. Grund dafür ist der erstarkte US-Dollar. Der bereinigte
operative Gewinn soll deshalb nun um etwa 15 Prozent steigen und damit ebenfalls
stärker als bislang in Aussicht gestellt.
Ob MTU diese Ziele erreicht, wird Wagner nicht mehr zu verantworten haben.
Der Manager wechselt im Verlauf des Jahres zum weltgrößten Flugzeugbauer Airbus.
Dort übernimmt er die Führung des Verkehrsflugzeuggeschäfts - der wichtigsten
Sparte des Konzerns. Sein Nachfolger bei MTU wird der frühere
Lufthansa-Technik-Chef Johannes Bussmann, der derzeit den Tüv Süd
führt. Wann er bei MTU antritt, hängt noch davon ab, wann der Tüv ihn gehen
lässt.
Auch MTU-Finanzchef Peter Kameritsch wird den Konzern verlassen. Er übergibt
die Führung des Finanzressorts zum 1. Juli an Katja Garcia Vila, die zuletzt die
gleiche Funktion beim Autozulieferer Continental hatte.
MTU baut bei den Antrieben für viele wichtige Flugzeugtypen mit und wartet
in seinen Reparaturbetrieben auch andere Modelle. Der von Pratt & Whitney und
MTU produzierte Getriebefan kommt außer bei der Airbus-A320neo-Familie auch beim
kleineren Airbus A220 und beim E2-Jet des brasilianischen Flugzeugbauers Embraer
zum Einsatz.
Auch bei Großraumjets ist MTU im Geschäft: So baut der Konzern zusammen mit
GE Aerospace einen Triebwerkstyp für den Langstreckenjet Boeing 787 "Dreamliner"
und einen weiteren für das größte Modell aus dem derzeitigen Boeing-Angebot, die
um Jahre verspätete Neuauflage des Großraumjets 777, die 777X.
Im Militärgeschäft baut MTU Teile des Triebwerks für den Kampfjet
Eurofighter und des Antriebs für den Militärtransporter Airbus A400M. Außerdem
arbeitet das Unternehmen an dem Antrieb für die nächste europäische
Kampfflugzeug-Generation FCAS mit.
An Bestellungen herrscht bei dem Unternehmen kein Mangel. Der gesamte
Auftragsbestand lag Ende 2024 mit 28,6 Milliarden Euro 17 Prozent höher als ein
Jahr zuvor./stw/mne/tih