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dpa-AFX: ROUNDUP: Große Mehrheit für Versicherungspflicht gegen Überflutungen

HEIDELBERG /MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die von der neuen Bundesregierung geplante
Versicherungspflicht gegen Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen stößt
laut einer neuen Umfrage auf breite Zustimmung. Jeweils knapp vier Fünftel
sowohl der Hausbesitzer als auch der Mieter begrüßen den Plan von Union und SPD,
wie die repräsentative Befragung des Vergleichsportals Verivox ergeben hat.

Das Marktforschungsinstitut Innofact befragte Mitte Mai 2025 im
Verivox-Auftrag insgesamt 1.052 in der eigenen Immobilie wohnende Hauseigentümer
und 1.002 Mieter jeweils im Alter von 18 bis 79 Jahren. Demnach befürworteten 78
Prozent der befragten Eigentümer und 79 Prozent der Mieter die Einführung einer
Pflichtversicherung gegen Elementarschäden.

Zahlungsbereitschaft hält sich in Grenzen

Allerdings scheiden sich die Geister bereits an der Frage, wie viel die
Versicherungspflicht kosten dürfte: 15,9 Prozent der befragten Eigentümer
antworteten, sie könnten keine weiteren Kosten mehr tragen, weitere 28,5 Prozent
wollen das nicht.

Anlass der Regierungspläne sind die mit Überschwemmungen verbundenen
Milliardenkosten für Bund und Länder. Großen Flutkatastrophen folgen regelmäßig
Hilfsprogramme für die Geschädigten, die die Staatskasse schwer belasten. Und
diese Hilfen sind unter anderem deshalb so teuer, weil nur gut die Hälfte der
deutschen Wohngebäude gegen Elementarschäden versichert ist.

Koalitionsvertrag lässt Fragen unbeantwortet

Doch sind zentrale Fragen ungeklärt. So ist offen, ob künftig wirklich alle
Hausbesitzer eine Elementarversicherung abschließen müssen, oder ob die
Koalition den Widerspenstigen ein Schlupfloch lassen wird: "Dabei prüfen wir, ob
dieses Modell mit einer Opt-Out-Lösung zu versehen ist", heißt es im
Koalitionsvertrag.

Die Opt-Out-Lösung ist eine Forderung der deutschen Versicherer. Eine
allgemeine Pflicht ohne jede Ausnahme würde bedeuten, dass auch die Gebäude
versichert werden müssten, die in quasi garantiertem Überschwemmungsgelände
erbaut wurden. Die Folge wären hohe Kosten für die Versicherungen. Bisher ist es
so, dass die Besitzer stark gefährdeter Gebäude häufig keinen Versicherer
finden, und wenn, dann nur zu sehr hohen Preisen.

Kompromissbereite Versicherer

Doch haben die Versicherer ihren früheren grundsätzlichen Widerstand gegen
eine Versicherungspflicht weitgehend aufgegeben, allerdings nicht bedingungslos.
"Dass die Bundesregierung den Elementarschutz im Koalitionsvertrag verankert
hat, ist ein wichtiges Signal", sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des
Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Doch
Versicherungsschutz allein reiche nicht aus.

Der GDV fordert ein umfassendes Konzept inklusive strengerer Bauplanung:
"Dazu gehören unter anderem eine klimaresiliente Stadtplanung, gezielte
Entsiegelung von Flächen, ein verbindlicher Baustopp in hochgefährdeten Gebieten
sowie eine Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigungen", sagt Asmussen.

Leichtsinnige Bauherren

Der geforderte Baustopp in "hochgefährdeten Gebieten" ist ein zweiter wunder
Punkt. Eigentlich ist das Bauen in Überschwemmungsgebieten in Deutschland
verboten. Doch dieses Verbot ist löchrig: Ausnahmen im Wasserhaushaltsgesetz
erlauben das Bauen in Überschwemmungsarealen dann eben doch. Nach einer Analyse
des GDV stehen mehr als 300.000 Gebäude in Deutschland in gefährdeter Lage, 80
Prozent davon in vorläufig oder final festgesetzten Überschwemmungsgebieten.

Bund und Länder scheuen die Konfrontation mit den Kommunen

Denn Wohnen in der Nähe eines Gewässers ist attraktiv, solange dieses nicht
über die Ufer tritt. Doch viele Politiker scheuen sich, für schärfere Bauplanung
einzutreten. Ein Beispiel: "Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und
Verkehr sieht ein pauschales Verbot von Baugebieten in bestimmten Arealen
kritisch, vielmehr kommt es stets darauf an, die konkreten jeweiligen
Rahmenbedingungen zu prüfen und ergebnisoffen abzuwägen", teilt ein Sprecher
mit.

Bayern ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Vielen Führungskräften in den
Chefetagen der deutschen Versicherungen stößt sauer auf, dass die Unternehmen -
und damit deren Kunden - künftig für Schäden zahlen sollen, von denen ein
beträchtlicher Teil bei vernünftiger Planung gar nicht erst entstehen würde.

Koalitionspartner umschiffen Bauverbot

Dem Koalitionsvertrag ist zu entnehmen, dass Union und SPD sich diesem
Konfliktstoff nur mit höflicher Zurückhaltung nähern wollen: "Wir prüfen, wie
Planungsträger in den Ländern für ihre Verantwortung bei der Bauleitplanung in
besonders schadensgefährdeten Gebieten sensibilisiert werden können und
konkretisieren die Staatshaftungsregeln der planenden Körperschaften, die neue
Baugebiete in bisher unbesiedelten Arealen trotz dieser Risiken ausweisen."

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund appelliert an die Gemeinden,
grundsätzlich auf neue Baugebiete in überschwemmungsgefährdeten Bereichen zu
verzichten. Die Opt-Out-Lösung hält auch der Kommunalverband für sinnvoll.
"Damit bliebe die Letztentscheidung dann beim Versicherungsnehmer", sagt Bernd
Düsterdiek, der Beigeordnete für Städtebau und Umweltschutz.

Wer muss am Ende zahlen?

Ein dritter heikler Punkt ist die Frage, wer die Elementarversicherung
letztlich bezahlen soll: nur die Hausbesitzer oder auch die Mieter?
Grundsätzlich dürfen Eigentümer die Kosten der Gebäudeversicherung auf die
Mieter umlegen. Das schließt Elementarschäden mit ein.

Doch der Deutsche Mieterbund forderte bereits im vergangenen Jahr, dies aus
der Betriebskostenverordnung zu streichen. Auch in dieser Hinsicht bleibt der
Koalitionsvertrag wolkig: "Die Belange der Mieterinnen und Mieter haben wir
dabei im Blick."

Hauseigentümerverband gegen Pflichtversicherung

Der Eigentümerverband Haus+Grund lehnt die Einführung einer
Versicherungspflicht ab, ebenso die Streichung der Elementarversicherung aus der
Liste der umlagefähigen Betriebskosten. "Versicherungen sind nur die zweitbeste
Lösung", sagt Inka-Marie Storm, die Chefjustiziarin des Verbands.
"Wirkungsvoller ist es, Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen."

Insofern fordert Haus+Grund anstelle der Versicherungspflicht ein großes
Vorbeugungspaket gegen Überschwemmungen: Dazu gehören unter anderem der Verzicht
auf neue Baugebiete in bekannten Gefahrenzonen und besserer technischer
Hochwasserschutz durch Deichbau, Renaturierung von Flüssen und andere Maßnahmen.

Wann aus dem Plan der Koalition ein Gesetz werden soll, ist unbekannt. Das
Bundesjustizministerium teilt mit, man arbeite "intensiv" an der Umsetzung.
Details werden unter Verweis auf den frühen Zeitpunkt nicht enthüllt./cho/DP/mis

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