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dpa-AFX: ROUNDUP/'Chance, Charlie Kirk auszuschalten': Verdächtiger angeklagt
PROVO/WASHINGTON (dpa-AFX) - "Ich hatte die Chance, Charlie Kirk
auszuschalten, und ich werde sie nutzen." Diese Notiz soll Tyler Robinson nach
Angaben der Ermittler im Bundesstaat Utah unter seiner Tastatur hinterlassen
haben. Nach dem tödlichen Schuss auf den rechten US-Aktivisten ist Robinson nun
unter anderem wegen Mordes angeklagt worden.
Der zuständige Staatsanwalt, Jeff Gray, kündigte an, für den 22-Jährigen die
Todesstrafe zu beantragen. Er verlas insgesamt sieben Anklagepunkte: Robinson
werden neben Mord auch Behinderung der Justiz, Zeugenbeeinflussung und eine
Gewalttat in Anwesenheit von Kindern vorgeworfen.
Erschwerend komme hinzu, dass er wohl aus politischen Motiven gehandelt
habe, sagte Gray bei einer Pressekonferenz in der Stadt Provo. Er verwies auch
auf Beweise, die Robinson belasteten - darunter DNA-Spuren an der mutmaßlichen
Tatwaffe sowie Auswertungen von Überwachungsvideos.
Was zum Motiv bekannt ist
Auf eine Nachfrage eines Reporters des konservativen US-Senders Fox News, ob
in diesem Kontext Transgender-Themen eine Rolle gespielt hätten, ließ sich der
Staatsanwalt nicht ein. Transmenschen sind Personen, die sich dem Geschlecht,
das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig fühlen.
Gray verwies lediglich auf Angaben, die er wenige Minuten zuvor gemacht
hatte. Demnach habe Robinsons Mutter erklärt, dass ihr Sohn mit einer
Transperson zusammengelebt habe. Der Staatsanwalt selbst sprach nur davon, dass
dieser Person bei der Geburt das männliche Geschlecht zugeschrieben worden sei.
Er fügte hinzu, Robinson habe mit ihr eine Liebesbeziehung geführt, ging auf das
Thema aber sonst nicht weiter ein.
Nach Grays Worten war es diese Person, die die Notiz unter der Tastatur
entdeckt hatte, nachdem Robinson sie per Textnachricht darauf hingewiesen hatte.
Im Anschluss kam es laut dem Staatsanwalt zu einem schriftlichen Austausch, in
dem Robinson die Tat mit zahlreichen Details einräumte und im Zuge dessen
erklärte, er habe "genug von diesem Hass". Er habe auch gebeten, belastende
Nachrichten zu löschen sowie gegenüber Polizei und Medien zu schweigen. "Ich
hatte gehofft, dieses Geheimnis bis zu meinem Tod im hohen Alter für mich
behalten zu können", soll Robinson unter anderem geschrieben haben.
Was für eine Rolle die Familie spielte
Gray äußerte sich auch zum familiären Hintergrund des Tatverdächtigen.
Robinsons Mutter habe demnach nach der Tat Fotos des mutmaßlichen Schützen in
den Nachrichten gesehen und ihrem Ehemann gesagt, dass dieser ihrem Sohn ähnlich
sehe. Robinson habe sich ihr zufolge im vergangenen Jahr zunehmend politisch
engagiert und verstärkt für die Rechte von Homosexuellen und Transpersonen
eingesetzt - Ansichten, die im Gegensatz zu denen seines Vaters standen.
Denn dieser sei seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump zum
eingefleischten Anhänger von dessen "Make America Great Again"-Bewegung (MAGA)
geworden, soll Robinson in einer Textnachricht geschrieben haben. Seinem Vater
gegenüber habe der Tatverdächtige auch angedeutet, der Schütze bei dem Attentat
gewesen zu sein. Seine Eltern und ein Freund der Familie hätten ihn dann
überzeugt, sich der Polizei zu stellen.
Was am Tattag passierte - und was danach
Am vergangenen Mittwoch war auf dem Campus einer Universität in Utah auf
Kirk geschossen worden, als dieser dort vor zahlreichen Menschen sprach. Auf
Videos in sozialen Medien war der Schuss zu hören. Zu sehen war, wie der
31-Jährige tödlich getroffen wurde. Menschen warfen sich auf den Boden, schrien,
rannten weg. Kirk starb wenig später im Krankenhaus.
Kirks Tod entfaltet in den USA eine enorme politische Schlagkraft. Der
Trump-Unterstützer war eine prägende Stimme der US-Rechten und erreichte ein
Millionenpublikum, vor allem junge Männer. 2012 gründete er die
Jugendorganisation Turning Point USA, die heute an zahlreichen Highschools und
Hochschulen aktiv ist. Als prominenter Vertreter der MAGA-Bewegung verschaffte
er Trump wichtige Stimmen junger Konservativer. Kirk galt als enger Vertrauter
von Vizepräsident JD Vance und von Trumps ältestem Sohn, Donald Trump Jr..
Was die Tat für die USA bedeutet
Das Attentat reiht sich ein in eine Serie politisch motivierter Gewalttaten
in den USA. Vor wenigen Monaten wurden im Bundesstaat Minnesota eine
demokratische Politikerin und ihr Ehemann erschossen. Auch auf Trump war im
vergangenen Jahr bei einem Wahlkampfauftritt geschossen worden. Behörden und
Experten warnen seit Langem vor zunehmender Radikalisierung - befeuert durch
Hass im Netz und aggressive Rhetorik.
Die Trump-Regierung streitet allerdings ab, politisch motivierte Gewalt sei
ein Problem beider Seiten, und stellt sie primär als Phänomen der "radikalen
Linken" dar. Seit dem Attentat nutzen der Präsident und sein Umfeld die enorme
Reichweite von Kirks Organisationen und Medienplattformen nicht nur, um an den
Aktivisten zu erinnern - sondern auch, um eigene politische Botschaften zu
platzieren.
Beobachter warnen deshalb, die Tat diene als Vehikel, um einen zunehmend
autoritären Regierungsstil zu legitimieren und die Radikalisierung von Teilen
der Gesellschaft weiter anzufeuern. Nach Einschätzung von Experten werde Kirk
bereits mit religiöser Sprache zum Märtyrer stilisiert, während die
Verantwortung nicht allein einer Einzelperson, sondern einem ganzen politischen
Lager angelastet werde.
Wie es nun weitergeht
Vor diesem Hintergrund kündigte Vizepräsident Vance zu Wochenbeginn in einer
im Weißen Haus aufgezeichneten Sonderausgabe der "Charlie Kirk Show" an, gegen
ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen vorgehen zu wollen, das er - ohne
Belege vorzulegen - für die Gewalt verantwortlich machte. Trumps
stellvertretender Stabschef Stephen Miller sprach gar von einer "inländischen
Terrorbewegung".
Auf die Frage nach möglichen weiteren Verdächtigen sagte Staatsanwalt Gray
in Utah, es gebe zum jetzigen Zeitpunkt keine Hinweise darauf. Robinson soll
noch am Dienstag (Ortszeit) zu einer ersten virtuellen Anhörung vor einem
Richter erscheinen./ngu/DP/nas