Lesen Sie im Marktfocus die fundierten Einschätzungen und Analysen zu aktuellen Entwicklungen in der Weltwirtschaft von Carsten Brömstrup, dem Vorsitzenden des OLB Investmentausschusses. Im Trendfocus finden Sie außerdem Informationen, Expertenwissen und Antworten auf Fachfragen rund um Wertpapiere und Finanzmärkte.
Marketingmitteilung
OLB Marktfocus
Ausgabe vom 01. August 2023
Heidewitzka, Herr Aktionär
Die Aussagen des ifo-Instituts und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu den Wirtschaftsaussichten für Deutschland sind eine Ohrfeige. Der IWF geht in seiner jüngsten Prognose davon aus, dass Deutschland 2023 insgesamt um 0,3 % schrumpft. Für kein anderes großes Industrieland wird ein BIP-Rückgang erwartet. Und für 2024 erwartet der Währungsfonds auch nur ein leichtes Wachstum von 1,3 %. Eine Rezession scheint kaum mehr abwendbar. Täglich können wir wieder einmal vom „kranken Mann (wir ergänzen: Frau) in Europa“ lesen. Das betrifft nicht vornehmlich die DAX-100-Unternehmen, sondern vielmehr die kleinen und mittelgroßen Unternehmen Deutschlands. Das Rückgrat unserer Wirtschaft. Zu viel Bürokratie, zu teure Energie, zu wenig Fachkräfte, zu hohe Steuern, zu wenig Kapital für Startups. Alles keine neuen Themen.
In der öffentlichen Debatte wird vor allem der aktuellen Bundesregierung vorgeworfen, schuld an der Konjunkturkrise zu sein. Der kurzfristige Einfluss politischer Maßnahmen auf die Konjunktur ist jedoch begrenzt, auch weil die Bürokratie im Wege steht, was vor Kurzem selbst das öffentlich-rechtliche ZDF in einem Faktencheck feststellte. Dass ein Schritt der Bundesregierung noch den wahrscheinlichen BIP-Rückgang in den nächsten Monaten aufhalten kann, ist kaum zu erwarten. Geldpolitik und außenwirtschaftliches Umfeld wären dafür viel wichtigere Faktoren. Dennoch hat die Politik Einfluss. Der monatelange Streit der Regierung um Heizungsgesetz und Haushalt klingelt noch in unseren Ohren. Politischer Streit verursacht Unsicherheit. Das kann Investitionspläne verschieben und Wachstum kosten. Mittelfristig hat die Politik deutlich größeren Einfluss. Strukturelle Reformen können dafür sorgen, dass aus der Phase keine Ära der konjunkturellen Schwäche wird. Dass direkte Subventionen für die neue Wasserstoffstrategie aber nur auf grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen beschränkt bleibt, könnte ein nächster Showstopper sein. Haben wir diese Zeit?
Zu Recht werden Sie sagen, warum meckern die denn so? Der Dax markiert doch ein neues Allzeithoch! Ja, wir meckern typisch deutsch und auf hohem Niveau. Es könnte aber eben besser sein, und wir wollen doch ganz oben mitspielen, oder? Und so schweift der Blick eines Anlegers unweigerlich ins Ausland. Und da sehen wir, dass der US-Aktienmarkt in den letzten fünf Jahren deutlich besser gelaufen ist als hierzulande. In Euro gerechnet beträgt der Vorsprung des S&P 500 Indexes satte 61 %. Und selbst wenn man die US-Technologiewerte herausrechen würde, läge der Vorsprung immer noch bei 45 % (siehe Chart, Quelle Bloomberg: DAX-Preisindex (ohne Dividenden) gegenüber dem S&P 500 und S&P 500 ohne Technologie (in Euro, 5-Jahressicht, indexiert auf 100).
Obwohl nun saisonal mit August und September die historisch eher schwierigen Börsenmonate eines Jahres kommen, wollen wir zwei Gedankengängen folgen.
So hat die Schweizer Großbank UBS ihre langfristigen Endnachfrageprognosen für die Künstliche Intelligenz (KI) von einer jährlichen Wachstumsrate von 20 % in den Jahren 2020 bis 2025 auf 61 % im Zeitraum von 2022 bis 2027 angehoben. Es wird erwartet, dass die weltweite KI-Nachfrage von 28 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022 auf 300 Mrd. US-Dollar im Jahr 2027 wächst. Damit wird KI eines der Segmente mit dem schnellsten Wachstum im globalen Technologiesektor sein. Das Anwendungs- und Datenmodellsegment der KI wird, der UBS folgend, im Jahr 2027 Erlöse von 170 Mrd. US-Dollar erreichen (jährliche Wachstumsrate von 13 9%), während für das halbleiter- und hardwarebetonte Segment mit 130 Mrd. US-Dollar (jährliche Wachstumsrate von 38 %) gerechnet wird.
Schade aber auch hier, dass es kaum deutsche KI-Tech-Unternehmen an der Börse gibt bzw. die erfolgreichen deutschen Startups wie das Berliner G2K, das für einen hohen dreistelligen Millionenbetrag an den US-Konzern Service Now verkauft wurde, in ausländische Hände fallen. Es besteht für uns kein Zweifel daran, dass wir jede Schwäche in diesem Sektor für strategische Käufe nutzen. Bei uns läuft dieser säkulare Trend auch unter dem Namen „AIRA“. AIRA steht für AI (Artificial Intelligence = Künstliche Intelligenz) plus IRA (Investitionsprogramm „Inflation Reduction Act“ der USA). AIRA ist jung, schön und intelligent und gleichzeitig gefährlich.
Als Zweites widmen wir uns den wieder auskömmlichen Renditen am Rentenmarkt. Die Renditen von Investment-Grade-Anleihen liegen knapp unter ihren historischen Höchstständen und könnten rasch sinken, wenn die Fed ihren Straffungszyklus beendet. Wir rechnen nun damit, weil auch die Kerninflationsrate sinkt und auch am US-Arbeitsmarkt und den Löhnen erste Entspannungssignale kommen. Bei den vorherigen vier Zinserhöhungszyklen sanken die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen in den sechs Monaten nach der letzten Zinserhöhung der Fed um durchschnittlich 70 Basispunkte, was nichts anderes bedeutet als Kursgewinne. In der Historie übertraf der gesamthafte Bloomberg US Intermediate Aggregate Bond Index für US-Staatsanleihen den S&P 500 Total Return Index während jeder der vier letzten US-Rezessionen um mehr als 10 %. Diese Outperformance erhöhte sich während der globalen Finanzkrise von 2008 auf 43,4 % (Quelle: UBS, Attraktive Renditen mit erstklassigen Anleihen sichern, 27.07.2023). Währungsschwankungen sind dabei zu berücksichtigen.
Die Rezessionsangst an den Märkten hat aufgrund der Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft zwar abgenommen, doch die Gefahr eines Abschwungs besteht nach wie vor. Erstklassige Anleihen zeichnen sich jetzt also dadurch aus, dass sie sowohl eine Aussicht auf Rendite als auch Sicherheit bieten. Zudem haben sie sich in der Vergangenheit in Phasen, in denen wachstumssensitive Anlagen nachgaben, sehr gut entwickelt und bieten einen guten Gegenpol zum Aktienmarkt. Deshalb glauben wir, dass die aktuelle Situation eine gute Möglichkeit für eine ausgewogene Allokation in Anleihen bietet, und raten den Anlegern, sich diese Anleiherenditen zu sichern. Manchmal müssen wir uns auch die Augen reiben: Rezession und doch Allzeithoch im Dax – Heidewitzka, wer hätte das gedacht? Der Mut, Aktien nicht den Rücken zu kehren, wurde wieder einmal belohnt.
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Womit Anleger rechnen können.
Die erste Jahreshälfte 2023 ist für die Märkte trotz des Krieges in der Ukraine und steigender Zinsen in den USA und Europa überraschend gut verlaufen. Fallende Energiepreise, nachlassende Lieferkettenprobleme und ein hoher Auftragsbestand sorgten für positive Impulse an den Finanzmärkten. Zudem rückte „Corona" (auch in China) in den Hintergrund. In der zweiten Jahreshälfte steht die Frage, wie hoch die Notenbanken die Zinsen zur Inflationsbekämpfung anheben werden, im Fokus. Die Notenbanken müssen dabei konsequent, aber mit Fingerspitzengefühl vorgehen, um die Konjunktur nicht abzuwürgen. Wie könnten die Märkte nun darauf reagieren?
Was erwartet die OLB bis Ende 2023?
DAX 15.340 – 16.600 – 17.340
Aufgrund der insgesamt gut verlaufenden Berichterstattung der Unternehmen im 1. Halbjahr 2023 gehen wir davon aus, dass die Tiefstwerte des DAX hinter uns liegen. Das schließt jedoch Schwankungen z. B. durch eine zunehmende Eskalation in der Ukraine oder steigende Zins-, Energie- und Lohnkosten nicht aus. Den aktuellen Politik- und Preisrisiken stehen auf der anderen Seite Corona-Nachholeffekte sowie fiskalische Konjunktur und Sonderprogramme gegenüber. Unternehmen mit Preismacht, Kostendisziplin und Liquiditätsrücklagen dürften gute Dividenden zahlen. Den DAX sehen wir am Jahresende im OLB-Basisszenario bei rund 16.600 Punkten.
+ 3,00 % Zinsen
Das Zinsniveau nach Abzug der Inflationsrate bleibt in Deutschland insgesamt niedrig, jedoch bleibt der Trend vorerst ansteigend. Die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen erwarten wir vorerst in einem Renditeband zwischen 2 und 3 %. Unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Inflation von rund 5 % für 2023 werden die realen Renditen aller Voraussicht nach noch im negativen Bereich verharren. Bei Euro-Unternehmensanleihen guter Qualität sehen wir inzwischen jedoch Renditeniveaus, die wir als attraktiv erachten.
+ 0,2 % Wachstum
Das Wirtschaftswachstum in Deutschland leidet derzeit unter den Auswirkungen des Ukraine-Krieges und gestiegener Nahrungsmittel- und Energiepreise. Betroffen sind vor allem Industrie und Bauwirtschaft. Die Inflation dürfte zwar nachgeben, bis Ende 2023 aber erhöht bleiben, so dass die Zinsen noch weiter steigen könnten. Handel und Dienstleistungen sollten hingegen weiter vom Corona-Nachholbedarf und Lohnsteigerungen profitieren. Zudem zeigen sich Auftragslage der Firmen und Arbeitsmarkt bisher stabil, Lieferengpässe entspannen sich. Problem bleibt jedoch vielerorts der Fachkräftemangel.
1,09 EUR/USD
Die US-Volkswirtschaft entwickelt sich bisher robust und stützt den US-Dollar. Zudem versucht die US-Notenbank über höhere Zinsen die Inflation einzufangen. Da die EZB für Euroland jedoch die Zinsen voraussichtlich noch dynamischer erhöhen möchte, könnte der US-Dollar an Zinsattraktivität verlieren. Andererseits fungiert der US Dollar immer noch als "sicherer Zufluchtshafen" bei geopolitischen Risiken. Insgesamt erwarten wir eine Seitwärtsbewegung.